Schon in jungen Jahren fing ich damit an, immer mehr Zeug um mich herum anzusammeln. Zuerst war es ein Fotoapparat, den ich in den Ruhestand schickte, weil ein "Modernerer" her musste.
Seitdem fanden immer mehr Sachen in immer schnellerem Wechsel den Weg zu mir. Auch Sachen, von denen ich früher behauptet hatte, „so was brauche ich nie.“ Ein grandioser Irrtum, denn ich brauchte alles, was der Markt hergab. Der ausgemusterte Fotoapparat aber - ein viereckiger, schwarzer Kasten von Agfa - symbolisierte den bescheidenen Anfang vom späteren Zuviel.
Damals häufte ich an, weil ich glaubte, beiseite gestellte Dinge oder Kleidungsstücke noch mal brauchen zu können. Später lernte ich, Abgestelltes wird nie mehr gebraucht - und trotzdem häufe ich immer noch an! Mehr noch als früher und es werden immer größere Sachen. Doch noch früher, noch vor der Sache mit dem schon erwähnten Fotoapparat, gab es eine Zeit, da gab's nichts zum Anhäufen. Nicht mal Geld.
Es fing ja auch alles so klein an mit dem Überfluss. Vor der Zeit des Zuviel war alles umgekehrt. Da hatte man von allem Zuwenig! Zuwenig zum Essen, zu wenig Schuhe, zu wenig Kanalisation, zu wenig Bildungsmöglichkeiten, zu wenig Wohnraum - viel Zuviel von dem überall sichtbaren Zuwenig.
Es ist ein Urtrieb, der uns antreibt, den Zustand des Zuwenig so schnell wie möglich zu beheben und ins Gegenteil zu verkehren. Dieser genetisch bedingte Drang stammt aus der Urzeit, denn unsere höhlenbewohnenden Vorfahren beherrschten das Sammeln auch, wenn es auch eher ihrer Ernährung diente. Unsere Urväter wurden höchstens 30 oder 35 Jahre und deshalb blieb ihnen nicht so viel Zeit zum Sammeln wie uns.
Doch ihre Gene gaben sie an uns weiter und so bin ich nicht allein mit meinem Aufbewahrungs- Urtrieb! Das tröstet mich. Die ganze Gesellschaft sammelt, wird aber älter als die Neandertaler und häuft entsprechend mehr an. Deshalb wurde die Sperrmüllabfuhr erfunden. Sie gibt es, seitdem das „Zuviel von allem“ uns zu ersticken drohte, weil uns die Berge des Zuviel über die Köpfe wuchsen.
Einzimmerwohnungen sind schlecht zum ansammeln von Zuviel. Mehrzimmerwohnungen sind viel besser, weil aufnahmefähiger. In ihnen findet sich immer ein Plätzchen für den, der sucht. Bestens zum Füllen geeignet sind Häuser, Gartenhäuser und Garagen - nur noch übertroffen von Schlössern. Es ist unglaublich, wie schnell ein Gebäude voll ist. Sofas, Tische, Betten, Wäsche und Schränke fast ohne Ende. Wären die Schränke endlos, wären sie auch endlos voll. Kommoden helfen auch nicht mehr weiter. In ihnen ruht das, was selten gebraucht wird. Das gute Geschirr zum Beispiel für den vornehmen Besuch. Oder die zerbrechlichen Rotweingläser, die schon seit 26 Jahren auf Gäste warten. Oder die erste Aussteuer. Bettbezüge, die man heute nicht mehr hat und ganz unten im letzten Fach die Handtücher, die kratzen oder unmodern geworden sind. Und dann das Zuviel an Videorecordern, Telefonen, Fernsehern, Schrauben, Büchern...unmöglich, alles aufzuzählen, was wirklich Zuviel von allem ist.
Kann dieses Zuviel gestoppt werden? Nur durch Zuwenig. Durch Geldmangel. Anderes versagt, weil die Gene des Neandertalers uns keine Wahl lassen.
Bitte entschuldigen Sie mich jetzt, ich muss zum Ende kommen. Ich brauche noch heute einen neuen Computer Bildschirm. Der Alte funktioniert noch prima, aber der Neue soll etwas größer sein. Den Alten stelle ich auf den Boden - ich könnte ihn ja noch mal gebrauchen. Aber erst muss ich mal Platz dafür schaffen. Anderes beiseite rücken, zusammenschieben, übereinander stapeln. Das verschlingt Zeit, die ich nicht habe ...deshalb meine Eile.