Wolfgang Nieschalk
        "Wer handelt, kann Fehler machen. Wer nicht handelt, hat bereits einen Fehler gemacht."

 


Höhenangst...

 


Für einen Anfänger ist es ein Alptraum, auf einen jener Gittermasten klettern zu müssen, die auf den Feldern stehen und unter denen oft ein unheimliches Knistern zu hören ist!


Als AZUBI kletterte ich oft hinauf in die "Vorhölle" am Himmel. Die Höhe war furchterregend. Hilfreiche Kräne gab es damals nicht, nur kletternde, vor Angst schwitzende Auszubildende. Die Aussicht zwischen Himmel und Erde in vierzig Metern Höhe oder mehr, war bedrohlich. Das Wetter immer zu windig, zu kalt oder zu heiß. Angst schnürte uns allen die Kehle zu. Besonders, wenn der Auftrag verlangte, ans Ende der vielleicht acht Meter langen, waagerechten Querausleger zu gelangen. Dorthin, wo abrupt das Nichts begann, an dessen Grenze der Arbeitsplatz lag. Ein Straucheln, ein falscher Schritt...trotz Sicherheitsgurt. An dieser Kante wurde ich beim ersten Mal seekrank.

Alte Hasen ließ die Höhe kalt. Andere brachen die Ausbildung ab, nachdem sie, vor Angst bewegungslos festgekrallt am eisigen Stahl, herunter geholt werden mussten. Ich hielt durch, die unterschwellige Furcht vor großer Höhe aber blieb.

Seitdem meide ich Hochhäuser, überhängende Felsnasen, wacklige Leitern und alles, was "zu weit oben" liegt. Komischerweise fliege ich gern, und meine Freude an "den fliegenden Kisten" veranlasste jemanden, mir ein Geschenk zu machen, dass am 13. Oktober eingelöst werden sollte. Ich lehnte ab. Am 13. in die Luft? Ich nicht! 

Am 14. empfing mich strahlend blauer Himmel auf dem Hildesheimer Flughafen und ich war gespannt auf die Aussicht, die mich in 4000 Metern Höhe erwarten würde. Die Maschine stieg langsam. 1000 Meter Höhe über Rössing, 2000 Meter über dem Maschsee und - zurück über Hildesheim: 4000 Meter. Es wurde ernst. Die Luke, einen halben Meter vor mir öffnete sich, eisiger Wind wehte herein und dann, ich war entsetzt, stürzte sich ein Irrer aus der offenen Luke ins Nichts und ich flüsterte: "Der ist ja verrückt." Dann war ich dran.

Willenlos fast, apathisch, die Bewegung nur automatisch ausführend, rutschte ich auf die äußerste Kante der Flugzeug Luke mit seiner erschreckenden Bodenlosigkeit. Die Waden unter die Außenseite des Flugzeugs gepresst, Arme über der Brust gekreuzt, registrierte ich eine Zehntelsekunde den von mir bestellten Videofilmer, wie er außen am Flugzeug "klebte" und mir zuckte durchs Hirn: "Wie kommt der denn da hin?

Und plötzlich - ich weiß nicht wie und warum, war ich selbst im freien Fall und fiel und fiel und schloss die Augen. Ich wollte nichts mehr sehen. Ein Orkan von 250 km/h schnitt mir eisig ins Gesicht und das Brüllen der Luft raubte mir Gehör und Denken. Ich spürte, wie meine Wangen flatterten. Dann öffnete ich die Augen doch, weil die Neugier siegte und unvermittelt tauchte - abwechselnd vor und neben und sogar unter mir im Luftozean "schwimmend" - mein Fotograf auf und filmte. Ich streckte die Arme aus, wie ein Vogel - und plötzlich verstummte das Dröhnen der Luft und unwirkliche Ruhe breitete sich aus, während sich über mir das orangefarbene Rechteck des Fallschirms vor dem Blau des Himmels wölbte. Das Schachbrett am Boden wuchs zu normalen Straßen, der Hildesheimer Industrie Hafen verschwand aus dem Blickfeld, das Flugfeld, der Kontrollturm  tauchten auf und dann, die Füße nach oben gereckt, berührten mein Tandempilot und ich wieder Hildesheimer Rasen. 

Einen Moment lag ich, meine Sinne ordnend, im Gras. Dann erhob ich mich - taumelte, und wurde, so wie 60 Jahre zuvor auf dem Hochspannungsmast - seekrank.

Doch ein kleiner Preis für das, was mich vielleicht am DREIZEHNTEN! Oktober - meinem persönlichen oder auch nur eingebildetem Pech-Tag -  erwartet hätte!



















 
 
 
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