Ein Vorwort.
Texte sind selten endgültig fertig. Aufgrund der Länge dieser Reise und der besuchten Regionen in Russland sind meine unterwegs gemachten Notizen und kleinen „Mitbringsel“, z.B. Gegenstände wie Visitenkarten, Hotelrechnungen, Steine, Prospekte, Stadtpläne u.ä. noch nicht sortiert und geordnet. Erschwerend kommt hinzu, dass ja das Allermeiste in russischer Sprache abgefasst ist und erst übersetzt werden muss.
Bei Interesse an einem Multi Media Vortrag bitte ich Sie, sich mit mir in Verbindung zu setzen. Hier nochmal meine Rufnummer: 05069-96443. Mail: Nieschalk124@googlemail.com
Deshalb möchte ich Ihnen einige Fotos der Landschaften, die sich rechts und links vom Wegesrand erstreckten und die vielbefahrene Strasse dorthin vorstellen.
In diesem Land gibt es keine Autobahnen mit Ausnahme der, die von Moskau nicht ganz bis ans Schwarze Meer führt. Aber diese Gegend bereiste ich nicht. Also spielt sich alles auf solchen Strassen ab, die man bei uns als Bundesstrassen bezeichnen würde. Werden Strassenerneuerungen vorgenommen - was oft der Fall ist, muss man mit ewig langen Staus rechnen. Manchmal hat man auch neben die Baustelle auf vielleicht 30 Kilometer einfach eine Trasse aufgeschüttet, die unbefestigt den gesamten Verkehr aufnimmt.Es funktioniert, aber verlangsamt den Verkehr durch die zerfahrene "Erdstrassendecke" enorm. Manchmal belief sich die durchschnittliche stündliche Geschwindigkeit bis zum Mittag nur auf knapp 30km/h. Das wurde allerdings auch durch den extrem langsam fließenden Verkehr in den Städten verursacht, deren Straßen teilweise nicht als Straße zu bezeichnen sind. Darin waren alle Städte gleichermaßen betroffen. Sogar die Großstädte. Die Überlandstraßen waren meist gut, wenn auch nicht breit. Nur die einfachen Landstraßen boten teilweise ein jammervolles Bild. Aber man muß auch bedenken: Iin diesen Landschaften, auch im Süden, herrschen im Winter Minus 30 Grad - und sowas hält keine Strasse lange aus.
Weiter geht die Reise bei strahlendem Sonnenschein durch eine Landschaft, an der sich das Auge erfreut und das Herz sich erwärmt.
Das, was einmal für mich nur Landkarte war, unter deren Strichen und Buchstaben ich mir in der Vorbereitungszeit für diese Reise alles - nur nicht das vorstellte, was ich zu sehen bekam - füllt sich seit meiner Abreise nun Kilometer um Kilometer mit Landschaft und Leben. Mit Bäumen, die im Nordwesten Rußlands - Richtung Lettland - dünn sind und dicht stehen, östlich davon unseren heimischen deutschen Bäumen nicht nachstehen, zum Süden hin ab Ulyanovsk aber immer schmächtiger werden, noch weiter südlich von Walnußbäumen abgelöst werden und ganz plötzlich - fast ohne Übergang - verschwinden.
Plötzlich sind die Bäume weg. Einfach nicht mehr da, so schlagartig verschwunden, als hätte jemand eine Theater Kulisse zur Seite geschoben, um den Blick des Reisenden auf die Landschaft in ihrer Ursprünglichkeit beschränken und seinen Blick freizugeben auf das, was dahinter liegt und sonst von den Wäldern verdeckt wird. Es bleibt mir unverständlich, wie ein Übergang von Wald zu "Nichtwald" so abrupt stattfinden kann.
Doch die Veränderung hatte sich schon einige Stunden lang während der Autofahrt angekündigt, nur ich hatte es nicht realisiert. Die Blätter der Bäume verloren allmählich das satte Grün, wechselten ihre Farbe gemeinsam mit dem Unterwuchs, dem Gras ins immer Gelblichere, und es war mein ungeschultes Auge, welches die Ursache der Blattverfärbung nicht erkannte. Als ich registrierte, was ich sah - oder richtiger - nicht mehr sah - unterbrach ich die Fahrt, hielt an, um mich umzusehen und vielleicht den Grund für das verschwinden der Bäume zu ergründen. Weit zurück waren sie ja noch als geschlossenen Wand, als Wald zu erkennen. Und mir bleibt verschlossen, was dazu führt, dass hier an dieser Stelle eine Reihe stattlicher Bäume den Boden bedeckt und 10 Meter weiter eben nicht mehr und das endgültig und das ist es, was mich nachdenken lässt. Warum wächst plötzlich kein Baum mehr? So unterschiedlich kann das Wetter auf einem Streifen von vielleicht 10 oder 100 Metern nicht sein? Warum?
Hier aber, bei oberflächlichem Hinsehen, bedeckten nur Steppengras und Sträucher den Boden. Doch bei genauerem Hinsehen erkannte ich, dass ich mich teilweise irrte.
Sie sind ja nicht wirklich verschwunden die Kiefern und Birken und Walnussbäume. Sie sind nur verkümmert, sind nur noch armseliger Abklatsch ihrer mit Regen überfütterten nördlichen Brüder. Diese Winzlinge hier müssen kämpfen im Steppengras um den wenigen Schnee, den der Winter beschert und der immer zu wenig Wasser hinterlässt. Und sie müssen sich ducken können vor der grausamen Kälte, die trotz der schon südlicheren Breitengrade Minus 30 Grad und darunter erreicht und verbunden ist mit stürmischen Winden, die unerbittlich über die weiten Flächen rasen und alles noch viel kälter werden lässt, erzählten mir die Menschen, die dort leben.
Und wenn ich bei ihren Erzählungen immer noch nicht verstand, was aus ihren Gebärden und Gesten und Geräuschen zu deuten, zu verstehen sein sollte, malten sie mir, dem unwissenden "Njemetz", mit Stöcken auf der Erde auf, was meine Fantasie sich weigerte, zu begreifen. Es fällt zuwenig Regen, sollte es heißen und das Fehlen des Wassers ist der Hauptgrund für das Kümmern der Vegetation. Es ist zu heiß im kurzen Sommer, der das klägliche Nass viel zu schnell verdunsten lässt und zu kalt und schneearm im langen, eisigen Winter.
Schauen und abweichen vom schwarzen Band der Straße hinein ins dörfliche Leben auf unbefestigten Wegen gehörte zu meinen Lieblingsbeschäftigungen währen der Reise. Ganz plötzlich und Impuls geleitet verlasse ich deshalb oft die Strasse und betreibe in Ortschaften oder dort, wo nur der Wind den Ton angibt - in tiefster Einsamkeit -"Einmann" Exkursionen.
Oft bleibe ich allein in den Orten. Genauso oft aber schaut man scheu um irgendeine Hausecke, aber manchmal bekomme ich Gesellschaft, wenn die Neugier der Leute siegt und sie mich ansprechen und mich dorthin führen, wo sie meinen, ich müsste von "da oder dort fotografieren", weil sich da oder dort der bessere Ausblick bietet. Dann entwickeln sich jene "Gespräche" , in denen jeder etwas anderes sagt, als das, was der Andere versteht und bei denen wunderlicherweise am Ende mit viel sportlichem Einsatz von Händen und Füßen genau das richtig und manchmal auch falsch verstanden wird kommt, was zuerst von mir so schwer zu deuten war.
Solche Gespräche liebe ich. Es ist der Kontakt zu den einfachen Leuten. Diese einfachen Leute sind es, die mit viel Humor und manchmal viel Gold an den Zähnen mir zeigen und erklären, was einzigartig ist an ihrer dörflichen Gemeinschaft.
Das museumsreife Pumpenhaus zum Beispiel, welches Wasser aus der Wolga zum Bewässern der Felder und Gärten nach oben pumpt. Der Ziehbrunnen, der manchmal mit einer Stange betrieben wird und manchmal mit einer Kurbel. Manchmal auch mit einer elektrischen Tauchpumpe. Die Hühner, die Kühe, die Enten und ihren ganzen Stolz, wenn er vorhanden ist, ihren Garten.
Immer interessierte mich die Art der Stromversorgung und ich erkannte als Fachmann für elektrische Anlagen auf den ersten Blick, dass große Ansprüche an die Versorgung mit Strom nicht vorhanden sein können. Das vorhandene Leitungsnetz ist schwach und dünn und es sind "Schnürsenkel" dachte ich laut, als ich die von den offenen Trafostationen zu den Häusern führenden Drähte betrachtete. Holz und Gas sind die wichtigen Energiequellen. Für die Versorgung der Beleuchtung und den Fernseher und den Kühlschrank reichen die "Schnürsenkel" aus. Gas scheint mir der Hauptenergieträger auch in ländlichen Bereichen zu sein, denn überall sieht man dicke, gelb gestrichene Rohre, die zu den Häusern führen.
Immer beendete herzliches Händeschütteln das Zusammentreffen mit den Menschen, und ich bin sicher, dass mir alle - auch wenn ich die Worte nie richtig verstand - gute Weiterfahrt wünschten, denn mit "
До свидания
"Doswi danje" - so wird es gesprochen, aber nicht geschrieben - waren nahezu 50 % meiner Russischkenntnisse verbraucht.
Früh an diesem Tag erreichte ich Ulyanovsk. Ich wollte mich ausruhen, ich musste mich ausruhen.
Erste Anzeichen von Ermattung machten sich bemerkbar. Einfach mal Pause machen, das Vergangene sacken lassen und Platz im "Oberstübchen" für Neues schaffen. Das nahm ich mir vor und schaute sehnsüchtig auf den GPS Navigator, der mir noch zwei Kilometer zum gebuchten Hotel anzeigte, in dem mich ein weiches Bett und Ruhe und ein erstes kurzes Nickerchen erwarten würde, nachdem die zur Routine gewordenen, umständlichen "Hoteleincheckungen" überstanden wären.
Es kam anders. Ganz anders und es hätte das Ende meiner Reise bedeuten können. Nach einem Einkauf kurz vor dem Hotel gab mein neuer Navigator seinen Geist auf. Er schwieg, war tot. Absolut tot und war plötzlich nichts mehr als ein kleines Bündel Elektroschrott. Mir brach vor Aufregung der Schweiß aus. Das ist nicht übertrieben, weil mir mit schrecklicher Klarheit die Erkenntnis reifte, von diesem elektronischen Ding hängt die Weiterreise ab - oder der Abbruch. OHNE NAVIGATOR geht in diesem Land nichts, gar nichts!
Jedenfalls nicht für mich, der die Wegweiser nicht deuten kann, die in kyrillischer Schrift geschrieben sind -wenn sie überhaupt existieren.
Ich fände die Hotels nicht in Großstädten, die zumindest 100000 Einwohner zählen. Kleinere Städte hatte ich aus schlechten Erfahrungen klüger geworden, gar nicht erst auf dem Plan oder sowieso nicht buchen können, weil sie keine Hotels haben und wenn doch, dann haben sie nur ein Einziges, das teuer und qualitativ so ist, dass ich mich dort nicht mit gutem Gewissen ins Bett legen würde. Also bleiben Städte für die Nacht ab ungefähr 100 TSD Einwohner. Die haben meist jede Menge hervorragender Unterkünfte, aber sie haben naturgemäß auch jede Menge Strassen, die ICH nicht auseinander halten kann. Das überfordert mich. Wirklich. in solchen Städten komme ich als Fremder an meine Grenzen.Schauen, aufpassen, Schlaglöchern ausweichen, Ampeln beachten, Zebrastreifen auch, Straßenschilder suchen und doch nicht deuten können und die aufgrund ihrer fremdartigen Beschriftung nicht zu deuten sind - NEIN, das ist zuviel für mich. Absolut. Das kann ich nicht. Habe genug damit zu tun, sklavisch den Anweisungen des GPS Gerätes zu folgen, dass mir manchmal schon der Kopf weht tut vor lauter Anspannung. In dem Wirrwarr der Straßen dieser Städte, die eigentlich nur mit Geländewagen zu befahren sind, findet man als Fremder ohne GPS die Hotels nicht! Oder nur mit Glück. Aufs Glück verlasse ich mich nicht. Das werde ich vielleicht an anderen Stellen nötiger haben.
Hotels aufzusuchen sind zwingend erforderlich, denn spätestens alle 7 Tage muss sich der Russland Reisende immer erneut behördlich als Ausländer registrieren lassen. Das erledigen die Hotels. Deshalb muss man sie finden und ohne Navigator findet man sie eben nur mit Glück und Nerven und wenn man sie nicht behält, knallt's. Bei mir knallte es nie, vielleicht war mein Vorhaben, defensiv zu fahren und mich nicht provozieren zu lassen die richtige Lösung. Sie hilft mir, die einen "durchzukommen", ist aber nicht weniger anstrengend ist, als kräftig aufs Gas- und Bremspedal zu treten. Defensiv sein hilft aber in jedem Falle dem, der sich den übrigen Verkehr vom Halse halten will. Wer fährt schon gern hinter "Sonntagsfahrern!" Auch nicht die Russen.
Mir brach der Schweiß aus - wirklich - und ich glaubte nicht im Ernst daran, ein neues GPS Gerät auftreiben zu können. Ich versuchte es trotzdem. Fragte Passanten, die nicht wussten was ich wollte. Fragte Polizisten, die noch weniger wussten. Fragte das Hotelpersonal, das schon mehr wusste und mir Adressen nannte und mir eine Landkarte in die Hand drückte dann - nur 200 vom Hotel entfernt - wurde ich fündig.
Fündig in nicht erwarteter Auswahl und Qualität! 5000 Rubel sollte das Gerät kosten und ich bezahlte gerne. Ich hätte alles bezahlt, was verlangt worden wäre, nur um so ein technisches Wunderwerk zu erstehen, durch dessen unersetzliche Anweisungen ich meine Reise fortsetzen könnte. Der niedrige Rubelkurs bewahrte mich vor unnötigen Ausgaben, und so bezahlte ich umgerechnet für ein Gerät, welches bei uns 250 Euro kostet, dort nur 83 Euro.
Innerlich stieß ich einen Jubelschrei aus, dem Verkäufer drückte ich 500 Rubel - sehr zu seiner Verblüffung - in die Hand...Gut, dass in Russland die Geschäfte immer geöffnet sind, ganz gleich ob Wochentag oder Sonntag ist.
Der Verkäufer programmierte mir das Gerät in deutscher Sprache. Wieder ging eine Woge des Gefühls durch meinen "Kreislauf", diesmal war es Euphorie und nun erst mit viel Adrenalin im Blut, genoss ich den Blick aus dem 20 Stock meines Hotels - das im übrigen eher schlecht als recht war - auf die Wolga, die hier in Ulyanov eine Breite von vielleicht 8 Kilometer erreicht.
Dann, am nächsten Tag erst, schaute ich mir die wichtigsten Sehenswürdigkeiten an, die diese Stadt zu bieten hat und die Wichtigste und überall sichtbare ist Lenin, der hier geboren wurde.
Nun zum Abschluss noch einige Fotos und dann entdeckte ich etwas, was ich nie zu entdecken geglaubt hätte: Einen öffentlichen Bücherschrank. Kein Wunder, war doch das literarische Zentrum und Museum keine 200 m entfernt, aber das fiel mir erst später auf. Ich ärgere mich mächtig, weil ich es es versäumte, als Souvenir eines der Bücher mit nach Hause zu nehmen.
Als Alleinreisender ist man ohne Unterbrechung unglaublich angespannt, stets auf's Unvorhersehbare vorbereitet, so dass man sogar die nahe liegendsten Dinge vergisst, wie dieses entgangene Souvenier. Oder auch die Unglaublichkeit, für die Nacht die Wagentür sperrangelweit aufstehen zu lassen. Am Morgen bekam ich einen mächtigen Schreck, doch das Auto war ja noch da - was wollte ich eigentlich! - und der Inhalt auch und es hatte sich auch niemand getraut, die offen stehende Tür zuzumachen...
Ehrliche Leute. Anders will ich es nicht bezeichnen und das umso mehr, dass es ein sehr frequentierter öffentlicher Parkplatz war, auf dem ich mein Auto abgestellt hatte.
Auch jenen Leuten muss ich ein großes Lob aussprechen, die meine hinter dem Auto abgestellte, vergessene Reisetasche in der Rezeption des Hotels Stunden später nach meiner Ankunft abgaben. Ich bin dem oder der oder den Unbekannten zu großem Dank verpflicht, es wäre ein Leichtes gewesen... - aber so war es eben nicht.
Danke!
Das abgebildete Kultur- und Literaturhaus befand sich gegenüber meinem Hotel auf dem Platz, auf dem auch die anderen Fotos entstanden und auch die Universität, die hier nicht abgebildet ist.
Die Bildbetextung erfolgt später.
Nächster Tag.
Ich fühle mich wie ein Pferd im Stall, dass nach draußen auf die Weide will. Meine Weide ist nicht grün, sondern grau und ist die Landstraße. Mit anderen Worten: Unternehmungslust packt mich und ich weiß, es wird ein langer Tag und die Stadt, die ich vorhabe zu besuchen, werde ich aus Zeitgründen nicht näher ergründen.
Es ist die Stadt der Wolga Deutschen, die nicht mehr existieren und sehr viel Sehenswertes scheint die Stadt nicht vorweisen zu können. So konzentriere ich mein Denken auf Wolgograd, das frühere Stalingrad und die Stadt Astrachan, die Stadt am Wolga Delta und Kaspischen Meer, dass auch der Umkehrpunkt meiner Reise werden wird. Doch bis dahin sind es noch 1500 km Fahrt auf manchmal einsamer Strecke und sie wird noch manche Überraschung für mich bereithalten.
Die erste Überraschung hielt der junge Tag für mich bereit, als der gestorbene GPS Navigator unvermittelt wieder zum Leben erwachte. Ohne Hoffnung schaltete ich ihn eher nebenbei ein und fröhlich meldete er sich zurück, um mich weiter in die Weiten Rußland zu begleiten und mir den Weg zu weisen.
Nun habe ich zwei Wegbegleiter. Und dann kann es vorkommen, dass der Eine rechts herum und der Andere linksherum fahren will. Doch ich verließ mich auf den russischen Ratgeber, denn er war wirklich präzise mit seiner Navigation und ich staunte, dass ich regelmäßig punktgenau vor den gebuchten Hotels anhielt, während der wieder - zum Leben erwachte - mich immer einige Zeit suchen ließ. Die Positionen stimmten im großen und ganzen, aber eben nicht exakt und diese Unsicherheit nach einem anstrengenden Tag kann unangenehm sein.
Heute hier für die Webseite erst mal ein paar Fotos von unterwegs. Eindrücke der Weite, wie man sie bei uns nicht findet. Bilder, die durch sich selbst wirken sollen. Text dann morgen oder auch übermorgen.
Irgendwo links von der Straße fließt die Wolga, die an dieser Stelle teilweise bis zu 40 km breit ist und würde die Straße am Ufer entlang führen, könnte ich das andere Ufer im Dunst nicht sehen. Und irgendwann zwischen Ulyanow und Saratov, meinem heutigen Ziel, verlässt die Wolga das Meeresniveau und beginnt ihren Weg unterhalb Normal Null. Getrennt durch ein nur vielleicht 300 Meter hohes, aber hunderte Kilometer langes Minigebirge, welches das Flußsystem des fast ebenso gewaltigen Don von dem der Wolga trennt. Fotos später dazu.
Ich habe nicht vor, Saratov besonders zu besuchen. Für mich ist die Stadt nur Durchgansstation. Es sind sicher sehenswerte Objekte zu sehen, doch die Zeit verfliegt, bis ans Endziel meiner Reise am Kaspischen Meer angekommen sein werde.
Es sind noch fast 2000 km Weg bis dorthin und sie werden ihren Tribut an Kraft und Willen von mir und Durchhaltevermögen von meinem Fahrzeug fordern. Ich bin ja jetzt schon erschöpft und müde und so ist nur gut, dass die Autofahrten zu einer Art Trance werden und kaum noch belasten. Es hat sich seit einiger Zeit ein bestimmter "Automatismus" eingestellt, der mich die Landschaft betrachten lässt und die Dörfer ergründen. Irgendwie ist es wie beim Segeln: Immer weiter, weiter, weiter, irgenwann kommt das Ziel in Sicht.
Die 200 km große Wolgaschleife bei Toljatti und Samara habe ich schweren Hezens ausgelassen. Es soll die attraktivste, die malerischte Strecke der Wolga sein durch das niedrige Gebirge, um das der Strom sich herumwinden muss, will er sein Ziel erreichen. Für mich wird die Reise zu lang. Ich muss auslassen, um mich dem vor mir liegenden Landschaften und Städten besser widmen zu können. Dazu einige Fotos aus dem ländlichen Gebiet. Ich gestehe, vielleicht von einem gewissen Schuss Romantik berührt, dass mich diese dörflichen Gemeinschaften in ihrer Einfachheit, sehr ansprechen, aber frage mich gleichzeitig, wie man diese Häuser im Winter warm bekommt!
Aus muss ich aus zeitlichen Gründen, selbst auf die Gefahr hin, etwas Wichtiges zu verpassen. Auslassen tut man ja ohnehin unaufhörlich, weil sich ständig Unvorhersehbares ändert oder andere, wichtigere Dinge von ursprünglichen Vorhaben ablenken. Darüber bin ich mir klar, es ist ja ohnehin immer nur ein schmaler Streifen des besuchten Landes - der mehr einem Strich als einem Streifen ähnelt - den man durchfährt und der sich erst am am Abend bei einem Bier und dem Verfassen der Notizen des Reisetages zu einem komprimierteren Bild der durchfahrenen oder durchwanderten Strecke formt und dabei den "Strichcharakter" zu verlieren beginnt.
So verlief dieser Tag, der sich nun dem Ende neigt.
Der Verkehr war mäßig seit meiner Abfahrt in Ulyanov. Und er wurde, wie immer dichter und zäher, lange bevor das Ziel, die Stadt Saratov überhaupt sichtbarer wurde. Das war bisher immer so, bei jedem Ort, und je größer die Stadt, umso länger zog sich die Suche nach dem Hotel in die Länge.
Nun bin ich im Hotel - einem kleinen Haus - wohne im Zimmer 4 der ersten Etage und es macht einen großen Unterschied zwischen dem letzten Hotel mit Fernblick aus dem 20 Stock, in dem ich im Zimmer 2013 wohnte und diesem kleinen, wohl privat betriebenen Haus, aus dem mein Blick in eine Autowerkstatt fällt.
Das Haus steht Gegend, in der ich niemals ein 4 Sterne Haus erwartet hätte. Doch ähnliches kenne ich bereits aus anderen Orten und so bin ich auch nicht wirklich überrascht, dieses Haus an einem wenig einladenden Ort vorzufinden. Dieses Haus unterscheidet sich allerdings in einem anderen, ganz wichtigen Punkt vom vorhergehenden Hochhaus: Hier fließt klares Wasser aus der Wasserleitung!
Gesten kam nur dunkelbraune Brühe aus den Hähnen. Ich duschte nicht aus Furcht, nach dem Duschen schmutziger als vorher zu sein, und holte am Morgen Mineralwasser aus dem Wagen, um mir die Zähne zu putzen. Hier in diesem feinen Haus hole ich das am Morgen Versäumte nach.
Das heiße, klare Wasser belebt mich und der Gedanke keimt, doch noch - wenigstens am am Abend - einen Zipfel der Stadt Saratov zu ergründen. Des schlechten Gewissens wegen, das mich befallen wird, wenn ich zu Hause sein werde, denn hierher, in diese Gegend, komme ich vermutlich nie mehr im bereits fortgeschrittenen Leben. So schwanke ich hin und her zwischen Wollen und Trägheit und am Ende wird gar nichts, wenn man sich nicht entscheiden kann. Es sollte nicht sein, das Besichtigen.
Der Grund war simpel und es war das abgeschlossenen Hoftor, hinter welchem mein Wagen sicher die Nacht verbringen würde, das mich hinderte, aufzubrechen. So nutzte ich erleichtert, der eigenen Verantwortung enthoben, diese Tatsache als dürftige Ausrede vor mir selbst - der späteren Selbstvorwürfe wegen - "Ich konnte ja nicht, wie ich wollte." Wäre das Tor offen gewesen, ich wäre ja..." "Und, warum bist du nicht zu Fuß gegangen?" könnte mancher Leser auf den Gedanken kommen zu fragen und wenn er das wirklich täte, müsste ich wahrheitsgemäß antworten: Ich war dankbar, die eigene Trägheit nicht ablegen zu müssen. Wohl wissend, dass nur zu Fuß der wahre Fotograf die besten Motiven findet, indem er seine Nase ins Unbekannte steckt und nicht unter die kuschelige Bettdecke. Jeder Mensch hat seine Schwächen. Meine Schwächen sind überrreichlich vorhanden und lassen mich dann "Fünfe gerade sein lassen", wenn ich aktiv werden sollte. Unverzeihlich - ich weiß - aber eben real und faul sind schließlich auch andere, oder?
Nach diesem kurzen Abstecher in die Schwächen meiner Seele, halten wir uns mit Saratov nicht zu lange auf. Diese Stadt war, wie ich schon schrieb, von vornherein als Durchgangsstation geplant und schon ziemlich früh am Morgen, nach einem mickrigen Frühstück, bei dem eine Tasse Nescafe das Highlight war, befand ich mich wieder auf der "Rennbahn."
Wolgograd liegt vor mir, rund 500 km entfernt und auch dort werde ich zunächst nicht länger verweilen, nur übernachten.
Diese geschichtsträchtige Stadt - das frühere Stalingrad - habe ich mir vorgenommen, ausgiebig auf dem Rückweg ergründen. Der Weg dorthin lässt mich oft "vom Wege abkommen" und ich nutzte jede sich nur bietende Gelegenheit, Fotos zu machen in einer Landschaft, die aufgrund ihrer Geographie mit Spektakulärem sparsam ist.
In Wolgograd erwartete mich eine Überraschung. Wie immer hatte ich ein 4 Sterne Haus vorgebucht und das Hotel gehörte einem Fußballverein "Olimpic Volgograd."
Es lag etwas außerhalb des Zentrums und unterhielt ein Stadion und eine Rasenfläche, die beispielhaft war. Immerhin konnten sie es sich leisten, für die Reception 4 Damen bereitzustellen, die mich, den seltenen Gast aus Deutschland, empfingen. Alle sprachen nur Russisch und so war der Empfang zwar freundlich, aber auch anstrengend.
Dann erschien Anastasias, eine junge Frau von vielleicht 25 Jahren, die mich verstand, die ich verstand - auf englisch, klar und sie hatte mir was anzubieten, wie sie mir sagte. In dem für mich vorgesehenen Zimmer in englischer Sprache ein wies. In dem Zimmer funktionierte angeblich der Fernseher nicht und deshalb hätte sie für mich etwas Besonderes ausgesucht.Sie hatte nicht zu viel versprochen.
Ich erhielt nichts Besonderes, ich erhielt etwas AußergewöhnlichIch bekam kein Zimmer, ich bekam ein "Reich." Und dieses Reich verdient es, hier vorgestellt zu werden. Ein Fußballverein, der besonderen Art - "Wolgograd Olimpik" - und einer unter die Tribüne gebauten Hotelanlage für VIP Gäste. Ich hatte das Vergnügen, ein VIP zu sein. Das dies mein Erstauftritt auf der Bühne der Auserwählten war und realistisch betrachtet wohl auch der Letzte, muss unter uns bleiben, liebe Leserinnen und Leser. Vielleicht hat man mich ja auch nur verwechselt, aber bei meinem kläglichen Reisegepäck hätten die Receptionsdamen misstrauisch werden müssen. Sie waren es nicht und vielleicht glauben sie sogar, wir Deutschen leben immer so karg, wie ich, der eher einem Robinson als einem Kundschafter eines fernen Landes glich...Ich war in gewissem Sinne ein Kuriosum. Ich spürte es, wenn ich mit den Leuten sprach oder es versuchte und erntete anerkennende Blicke und Worte, wenn ich ihnen erzählte, ich käme aus Hamburg. Hannover erwähnte ich kaum. Dies Städtchen kennt ohnehin niemand in den Weiten Russlands. Wer fährt im Zeitalter der Flugzeuge auch mit dem Auto ans Kaspische Meer...Nur Verrückte oder "kuriose Zeitgenossen." Zu denen darf ich mich offenbar zählen, wobei ich die zweite Variante vorziehe. Wobei nur am Rande bemerkt und nicht zum Weitererzählen geeignet - meine Frau war schon immer dieser Meinung war.
Immer öfter und je weiter ich nach Osten kam, begegneten mir die jungen Russen so, wie es international Sitte ist: Sie hielten den Daumen nach oben. Offen, ehrlich, freundschaftlich und in ihrer Eindeutigkeit nicht misszuverstehen. Wobei mir doch nicht ganz klar war, ob die "Daumenhochhalter" die deutschen Fußballer meinten, oder die Fußballnation Deutschland als Ganzes oder tatsächlich mich, der sich inmitten der Russen in den Städten und auf den Strassen, wie ein einsamer Leuchtturm vorkam. Und in den Dörfern sowieso!
Russland befindet sich im Fußballfieber - das das ist überall deutlich zu sehen.
"RUSSIA 2018" lautet das Motto und das wird auch in großen Lettern aber keineswegs aufdringlich, überall im Lande gezeigt.
Ach das verbindet, wenn auch der Kommerz und die Politik in den Sport mit hineinspielen. Aber in welchem Land ist das anders? Und, ganz ehrlich, Fußball ist Geschäft. Sonst würde niemand seine Beine hinhalten. Da müssen wir uns nichts vormachen. Alles ist Geschäft, weltweit. Erfreuen wir uns mit an dem Geschäft, welches Andere machen, was uns als "Normalbürger" aber quasie als Abfallprodukt, wunderbare Fußball Begegnungen bereiten wird.
Russland, eine Reise wert. Oder auch mehrere. Bis hier her auf alle Fälle. Die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Menschen in Russland hat mir enorm imponiert. Und es schien auf meiner Reise viel geheiratet zu werden. Den richtigen Zeitpunkt für ein Foto verpasste ich bei den beiden ausgewählten Bildern, als kollektiv die Hochzeitsgruppe auf Zuruf des Fotografen in die Höhe sprang.
Ein ausgesprochen lebendiges Bild und sogar die älteren Teilnehmer bewegten sich folgsam und mit nach oben geworfenen Armen senkrecht in die Luft. Ich musste mich mit diesen weniger dynamischen Aufnahmen begnügen - weil ich verbale "springt" nicht erkannte.
Verlassen Sie nun mit mir - wenn Sie mögen - die Stadt Wolgograd vorübergehend und machen Sie sich bereit für eine 500 km lange Fahrt nach Astrachan. Erfreuen Sie sich an den Fotos, die von den Vorhergehenden wieder stark abweichen. Und ich bitte um Verständnis, dass ich das Hochladen auf morgen verschieben werde, denn wieder einmal fallen mir vor Müdigkeit die Augen zu.
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