Wolfgang Nieschalk
        "Wer handelt, kann Fehler machen. Wer nicht handelt, hat bereits einen Fehler gemacht."

Werden Schweine etwa salonfähig?

"Meine Straße" ist für Hundebesitzer vergleichbar mit der Promenade eines Badeortes für Urlauber. Oft wechsele ich ein paar Worte mit den Hundehaltern, was die sozialen Kontakte am Leben hält und achte darauf, wohin ich im Dunkel meinen Fuß setze.

Neulich bemerkte ich nicht sofort, dass der gescheckte Hund an einer der Leine von der Üblichkeit abwich. Es war ein Schwein! Erst das Verhalten meiner Katze machte mich auf den Unterschied aufmerksam, die sonst vor Hunden Reißaus nimmt, sich nun aber neugierig dem ungewohnten Wesen näherte.

Das Mädchen an der Schweineleine kannte ich nicht. Sicher war sie zu Besuch hier, denn es blieb beim einmaligen Rendezvous. Ihr Schweinchen aber tat, als sei ich ein alter Bekannter und versuchte, mit seinem Rüssel in meinen linken Gummistiefel zu gelangen. Das misslang.

Als Schwein und Mädchen verschwunden waren überlegte ich "Werden Schweine etwa salonfähig?", und meine Frage beantwortete ich spontan mit "Nein." In meiner Vorstellung nahm eine sechs Zentner Sau Gestalt an, an deren Seite Herrchen wie ein Zwerg aussehen würde und man nicht sicher sein könnte, wer eigentlich wen an der Leine führt.

Viel spricht gegen die gesellschaftliche Aufwertung des Schweins. Die Natur hat dem Schwein ein paar verrückte Streiche gespielt, die seine Tauglichkeit als Haustier einschränken.

Einer dieser Nachteile ist, dass es so gut schmeckt und deshalb in ständiger Lebensgefahr schwebt. Was in unserem Kulturkreis Hunden und Katzen nicht droht - das Schwein, auch das Zierschwein - kann als lebendige Speisekammer in größter Not zum Schnitzel werden. Auch ihr angeblich hochentwickeltes Gehirn durchschaut nicht die Gefahr, in der es Zeit seines Lebens schwebt. Ursache allen Übels ist ihr "Hüftgold", dass sich sehr ausgeprägt über den ganzen Körper erstreckt und menschliche Begehrlichkeiten weckt.

Trotzdem wir Schweine mit Genuss verspeisen, halten wir sie für schmutzig, übelriechend, faul, dumm, tückisch und stur. Das mag auch dem verschlagen - zufriedenem Grinsen liegen, dass die Natur vielen Schweinen mit auf den Weg gegeben hat. Man weiß bei ihnen nie so recht, was das zu bedeuten hat. Das und noch einige Punkte mehr - ihre Suhle im Schlamm zum Beispiel -  sind die Ursache dafür, dass Schweine seit Urzeiten mit ihrem schlechten Ruf leben müssen.

Vermutlich ist kein anderes Tier auf der Erde so oft mit so viel Schadenfreude verleumdet worden. Die Verachtung zeigt sich in der Sprache. Wer sich wie ein Schwein aufführt, benimmt sich daneben. Der innere Schweinehund wird als schlechter Charakter angesehen. Schweinische Witze sind unanständig. Und wenn jemand beim Feiern über die Stränge schlägt, lässt er dem Volksmund nach, die Sau raus. 

Kurz vor Jahresende aber werden Schweine für kurze Zeit salonfähig. Als Glücksbringer. Warum aber ausgerechnet ein Schwein? Ganz einfach! Im Mittelalter erhielt der schlechteste Teilnehmer eines Wettbewerbs ein Ferkel als Trostpreis. Sechs Monate später allerdings war aus dem allesfressenden Ferkel eine schlachtreife Vorratskammer geworden und der Verlierer wurde - verspätet zwar - zum wahren Gewinner. Symbolisch trifft das auch auf das selten gewordene Sparschwein zu.

Bei aller Tierliebe: Ein Schwein kommt mir nicht ins Haus. Meine Katze reicht mir, wenn sie auf meiner Brust schläft und manchmal in einem Anfall von Zuneigung an meiner Nase knabbert. Besser, ich stelle mir erst gar nicht vor wie es ist, wenn ein borstiges, sabberndes Schwein mit seinem Rüssel oder seinem nassen Maul das Gleiche vorhat!

 

 
 
 
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