Wolfgang Nieschalk
        "Wer handelt, kann Fehler machen. Wer nicht handelt, hat bereits einen Fehler gemacht."

Nackte und kahle Tatsachen

Haarausfall kommt vom Geschlechtsverkehr. Stimmt das?


Samson - ein Mensch mit langen Haaren aus dem Alten Testament - erschlug mehr als tausend Männer mit dem Kiefernknochen eines Esels. Stutzig machte mich nicht sein kriegerisches Auftreten, denn das erschien mir in jener Zeit als normal. Auffällig war, dass dessen Kraft mit seiner Haarpracht in Verbindung zu stehen schien. Denn solange seine Haare lang waren, war er für die Philister unbezwingbar. Erst in einer "lieblichen Stunde" zeigte er Schwäche und wurde durch den Verrat seiner Frau gefangen genommen. Ein Friseur schnitt ihm auf Befehl seiner Gegner mit einem Schwert die Haare ab. Danach war er so kraftlos, dass er nicht mal mehr ein Huhn schlachten konnte. Erst als seine Haare wieder sprossen, kehrte seine Kraft zurück und er rächte sich an seinen Feinden, indem er einen Philister Tempel einriss, dessen Trümmer mehr als dreitausend seiner Feinde unter sich begrub.

Es scheint was dran zu sein an der Kraft des Mannes in Verbindung mit seiner Haarpracht. Und so ist es kein Wunder, dass alle Männer tief betroffen reagieren, wenn sich erste Anzeichen von Haarausfall einstellen. Ist die Kopfhaut endgültig kahl, reagiert mancher Glatzenträger zunächst aggressiv, später aber wird er nachsichtig gegenüber den Spöttern.

So wie einer meiner frisch "verkahlten" Freunde mir vor Jahren eine sarkastische Bemerkung über mein ergrauendes Haar an den Kopf warf. "Na und? Besser grau als Glatze", gab ich gereizt zurück. Inzwischen ist mein Kopfschmuck - vielleicht zur Strafe für die freche Antwort - weiß geworden und neulich meinte mein Freund - ich spürte, er wollte mir was heimzahlen: "Deine Haarfarbe ähnelt dem friedhofsblond vorgerückter Jahrgänge."

Doch darüber wollte ich gar nicht berichten sondern davon, wie kahle Tatsachen überhaupt zustande kommen. Aristoteles meinte, der Geschlechtsverkehr sei Ursache des Haarausfalles. Das aber widerspricht meinen Beobachtungen, denn gerade junge, aktive Familienväter sind am wenigsten von einer Glatze betroffen. Manche Priester meinen, ein Finger Gottes habe sie am Kopf berührt und dadurch eine kahle Stelle geschaffen. Damit kann ich mich nicht anfreunden. Einige Psychologen aber meinen, Haarausfall käme vom Lachen. Lachmuskeln würden die Blutzirkulation nach oben unterbinden und damit die Versorgung von Haar- und Hirnzellen mit lebenswichtigen Nährstoffen unterbrechen und zum Absterben bringen. Hirn und Haar? Hängt das auch zusammen? Sind "Lacher" dümmer sind als jene, die mit versteinerten Gesichtern durch die Gegend laufen oder diejenigen, die ganz ohne Lachmuskeln geboren wurden? Ich zweifele und fragte später meine Nachbarin. Sie meinte: "Alles Quatsch. Haarausfall kommt von zu engen Hüten!"

Mediziner müssten es eigentlich am besten wissen. Den, den ich befragte meinte: "Haarausfall kommt von hohem Fieber oder chirurgischen Eingriffen, Geburt, starkem Gewichtsverlust, starker Gewichtszunahme oder seelischer Belastung. Doch meistens handelt es sich um den "typischen Haarausfall bei Männern." Ich verstand und interpretierte seine Aussage "Ich habe keine Ahnung. Kahlheit stellt sich eben ein - oder auch nicht."

Ich erwähnte schon, eine Glatze verleitet zum Spotten. Irgendjemand schrieb einmal: "Wie hässlich ist der kahle Schädel. Er sieht aus wie ein Gesicht, dem die Nase fehlt." Und eine junge Frau antwortete, als sie gefragt wurde, ob sie kahle Männer für sexy hielte: "Erst, seitdem ich Paul kenne."

Doch Kahlheit hat - neben den Nachteilen des Spottes - auch Vorteile. Der Kahle braucht keinerlei Vorbereitungen zu treffen außer sich den Schlips gerade zu ziehen, wenn er sich irgendwo vorstellen will. Und seine gute Laune lässt er sich ein erfahrener Glatzenträger schon deshalb nicht mehr nehmen, weil er im Laufe der Zeit gelernt hat, dass ihm auch dann keine Haare mehr sprießen würden, wenn er sich aufregen würde.

 

 

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