Im Februar wagte ich das Experiment, ein paar Freunde zum Essen einzuladen. Hätte ich geahnt, was auf mich zukommt - ich wäre ins Restaurant gegangen. Seitdem habe ich tiefen Respekt vor Frauen, die entspannt bleiben wenn ihr Mann unschuldig und ahnungslos sagt: „Liebling, wir könnten doch mal wieder Freunde einladen!“
Die Anforderungen an Körper und Geist sind enorm, weil Planung und körperlicher Einsatz von Anfang bis Ende äußerst gefordert werden. 36 Arbeiten wären zu erledigen, überschlug ich grob. Jede davon bestand aber aus mindestens drei „Unterarbeiten.“ So viel konnte ich mir nicht merken und machte eine Liste. Wie wichtig das ist, sah ich bei einer Bekannten. Als sie ihre Liste fertig hatte, hakte sie gleich den ersten Punkt – „Liste machen“ – ab. So hat man gleich zu Beginn das Gefühl, Wichtiges schon erledigt zu haben. Doch leider zeigen Listen nicht nur an, was zu tun ist, sondern sie verschleiern auch.
Zum Beispiel Punkt neun auf meiner Liste - „Kaminfeuer vorbereiten.“ Das hört sich unschuldig an, verschleiert aber, dass der Ofen gereinigt, alte Asche weggebracht und die Ofenscheiben gereinigt werden müssen. Auch Holz muss her, Kleinholz zum Anzünden gehackt werden, eine alte Zeitung gesucht und Streichhölzer bereit gelegt werden, damit die Flammen stimmungsvoll lodern, wenn die Gäste kommen. Der Platz vor dem Kamin muss vorsichtig gefegt werden, damit der aufgewirbelte Staub nicht auf die Möbel fällt. Mein Staub legte sich trotzdem drauf und deshalb mussten die Möbel, an denen die Gäste sich schmutzig machen konnten, auch geputzt werden. Das alles dauerte seine Zeit. Die Zeit nämlich, die ich brauchte, um mich auf die Hauptsache zu konzentrieren: Das, was ich den Gästen auftischen wollte.
Ich überlegte lange, weil ich neben Spiegeleiern, Pellkartoffeln und Steak nur minimalste Kochkenntnisse habe. Mit Ausnahme der Steaks alles Gerichte, die ich meinen Gästen nicht vorsetzen wollte. Ich entschied mich für einen Auflauf weil ich meinte, schmelzender Käse würde eventuelle Mängel der Zubereitung diskret verdecken. Suppe plante ich nicht und statt des Dessert wollte ich Punkt 36 - Konfekt zum Kaffe reichen.
Dann schlug ich das Buch „Kochen leicht gemacht“ auf, welches mir mein Sohn grinsend geschenkt hatte. „Auflauf ist ganz einfach“, log das Buch. Von wegen. Nichts Gutes ist einfach. Ein Auflauf schon gar nicht und für einen Anfänger eine Zumutung. Einzelheiten erspare ich mir, aber die letzten Stunden waren geprägt von der Tyrannei verrinnender Zeit, in der ich viermal zum Kaufmann fuhr. Dabei musste alles gleichzeitig erledigt werden. Kartoffeln schälen, Grünzeug putzen, Backofen vorwärmen, Getränke bereit stellen, unschöne Worte dem Kamin zurufen, weil der nicht loderte sondern qualmte. Und in das Tohuwabohu hinein schrillte der Kurzzeitwecker.
Alles ging gut. Bis auf einen Punkt. Meine Liste hatte ich in eine offen stehende Schublade gelegt, um gelegentlich einen Blick drauf werfen zu können. Eine Dame schaute in einem unbeobachteten Moment hinein. Punkt 36 stand noch offen! SIE reichte das Konfekt herum.
Der „Applaus“ ist verebbt, die Gäste gegangen – aber die Liste ist noch da. Ich starre sie an und frage mich, wie eine so kleine Gesellschaft so viel Arbeit machen kann. Fällt Männern die Rolle als Gastgeber so schwer, weil sie vielleicht von Natur aus ungastlich sind? Oder hantieren Frauen nur “unauffälliger?“ Ein guter Gastgeber werde ich nie, dämmerte mir. Aber aufgrund meiner Erfahrungen werde ich künftig ein sehr viel besserer Gast sein!