Wolfgang Nieschalk
        "Wer handelt, kann Fehler machen. Wer nicht handelt, hat bereits einen Fehler gemacht."

Die Zeit nach der Bescherung


Am Heiligen Abend hat der Weihnachtsmann alle Hände voll zu tun, um die vielen Gabentische zu füllen, aber am Morgen des 25. Dezember kann er seinen weißen Bart an den Nagel hängen und bis zum nächsten Jahr in Ruhe pflegen. Sein Sack ist leer und alles Übrige bleibt uns überlassen.

Zum Beispiel das Geschenkpapier, welches sich auf dem Fußboden türmt. Ich bin fürs Wegwerfen, aber meine Frau ist anderer Meinung. Sie will aufheben und verstauen – nur, um das Verstaute nie wieder hervorzuholen. Ich weiß das, denn noch nie hat sie gebrauchtes Weihnachtspapier zum Einpacken verwandt.

Jedes Blatt Papier wird glattgestrichen, einmal längs und quer gefaltet und in eine der herumstehenden Kartons gepackt. Bitterböse wird sie, wenn ich mich mit der Schere an die liebevoll gebundenen Schleifen heranmache. Aber irgendwann haben wir uns arrangiert, Schachteln und Kartons ineinander gestapelt und auf dem hinteren Dachboden verstaut, denn vorne stehen noch die Kartons vergangener Jahre.

Das, was übrig bleibt, landet im Kamin. Vorletztes Jahr fand mit dem Müll auch der neue Handschuh meiner Frau, ein Akku des Fotoapparates und das Geschenk der Kinder – die Karten zum Neujahrskonzert – den Weg in die Flammen. Die hitzige, unter viel Kopfschütteln geführte Diskussion, wer wo und zu welchem Zeitpunkt so unaufmerksam mit dem Abfall umgegangen sei, neigte sich zu meinen Ungunsten, da explodierte der weggeworfene Akku im Feuer. Danach war Ruhe. Ich sammelte hektisch Glutreste vom Teppich und bin seitdem von nachweihnachtlichen Aufräumarbeiten ausgeschlossen.

Trotzdem, ich habe noch genug zu tun, denn vor langer Zeit wurde ich zum Gänsebratmeister ernannt. Das schmeichelte mir, war aber unlogisch, denn meine Kochkenntnisse enden exakt beim garen von Pellkartoffeln. Später – zu spät – erkannte ich, man hatte mich über den Tisch gezogen! Von wegen Kochtalent! Die zu schälenden Zwiebeln waren Schuld an meiner Beförderung zum weihnachtlichen Küchenchef. Tränen benetzen seitdem meine Wangen und meine Frau geizt nicht mit gut gemeinten – aber schlechten Ratschlägen – um das weihnachtliche Weinen bei mir in Grenzen zu halten.

Spätestens dann, wenn niemand mehr gebratene Gans riechen oder gar essen will und sich jeder nach gewöhnlichen Pellkartoffeln sehnt, steht die Frage im Raum, wann die Feiertage eigentlich vorüber sind.

Manche Leute meinen dann, wenn der Weihnachtsbaum geplündert wird. Der Neujahrstag böte sich an, aber eine gewisse körperliche Schlaffheit, die durch Übernächtigung hervorgerufen ist,  könnte den Zeitpunkt noch hinauszögern. Andere behaupten, er solle bis zum Dreikönigstag bleiben. Ich hatte vorgeschlagen, Weihnachten ohne Baum zu verbringen und erntete eisiges Schweigen.

Mein Vorschlag war eigennützig, denn mein Sessel macht Weihnachten immer Platz für den grünen Gesellen und ich sitze dann beim Lesen schief. Warum? Weil das Kabel meiner Leselampe nun zu kurz ist. Ein Verlängerungskabel würde Abhilfe schaffen, aber auch als Fußangel dienen. Also sitze ich weiter krumm, mache beim Lesen einen Gänsehals und hoffe, dass der Baum bald verschwindet.

Das geht manchmal schnell. Sein Nadeln bedeutet dann sein sofortiges Aus. Gut so. Endlich kann ich wieder gerade sitzen. Aber noch etwas bedeutet mir sein Auszug: Mit seinem Verschwinden endet immer auch die dunkle Jahreszeit! Ein neues Jahr beginnt, die Tage werden wieder länger und neue Aufgaben erwarten uns. Packen wir sie an? Klar - und freuen wir uns darauf!

 
 
 
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