Wolfgang Nieschalk
        "Wer handelt, kann Fehler machen. Wer nicht handelt, hat bereits einen Fehler gemacht."

Der Duft der langen Junitage - hier in in Bad Kissingen

Der Duft der langen Sommertage

Es ist soweit: Die Sonne hat "umgedreht." Gestern am 21. Juni hatte sie ihren höchsten Stand erreicht. Schon heute - unmerklich für uns - steht sie ein winziges Stück niedriger am Himmel. Das geht ein halbes Jahr so weiter, bis sie kurz vor Weihnachten erneut umkehren wird, um pünktlich am 21. Juni des nächsten Jahres erneut den Sommer anzukündigen.

 

Doch der längste Tag des Jahres gehört dem Frühling, wenn auch die wärmsten Tage des uns der Sommer beschert. Meist, denn nicht immer ist er so, wie wir ihn haben wollen. "Richtig" muss er sein, und was richtig ist, wird jeder für sich entscheiden.

Deshalb wird jedes Jahr auf ihn geschimpft. Mal ist er zu heiß und alles Grün verwandelt sich unter der sengenden Glut der Sonne zu fahlem Gelb. Mal ist er zu regnerisch. Friedliche Bäche werden dann zu reißenden Strömen und ihre Fluten spülen manchmal Wohnwagen von Campingplätzen und hinterlassen Schlammlawinen sogar dort, wo niemand damit rechnet. Manchmal, aber zum Glück weniger oft, stürmt es im Sommer wochenlang aus östlichen Richtungen. "Der Wind, der Unheil bringt", sagt der Volksmund und die Menschen fühlen sich, wenn er weht, nach wenigen Tagen schwach, ausgebrannt und werden gereizt.

Ist der Sommer nur zu kühl, spricht man vom "Grün angestrichenen Winter. Ist "es mal richtig Sommer" - so - wie es sich für einen Sommer gehört, wird das kommentarlos hingenommen. Höchstens am Morgen lobt man ihn. Dann, wenn Tautropfen auf dem Rasen in der Sonne wie winzige Diamanten funkeln. Doch meist ist unser Sommer launisch wie eine schöne Frau. Wechselhaft, und erst bei lähmender Hitze und Schwüle wird uns bewusst, wie angenehm der vergangene Frühling mit seiner klaren Luft, seinem Mai, seinen blühenden Bäumen, seinen duftenden Blumenbeeten und gelben Rapsfeldern war.

Aber trotz seiner Mängel lebt es sich gut im Sommer, der mit der Sommersonnenwende beginnt. In manchen Gemeinden ist ein Johannisfeuer zur Tradition geworden. In den skandinavischen Ländern würde dieses Feuer schon seit Ewigkeiten die Nacht zum Tage werden lassen - wenn es denn Nacht würde. Es wird nicht Nacht, denn nördlich des Polarkreises geht die Sonne im Sommer überhaupt nicht mehr unter.

Vor einigen Jahren habe ich in Lappland eine längere Wanderung durch die Tundra gemacht, und ich glaube, als Skandinavier muss man geboren sein. Ich bin lieber Mitteleuropäer. Tag und Nacht die Sonne am Himmel, vierundzwanzig Stunden lang und dann wieder vierundzwanzig Stunden lang und ohne ein Ende in Sicht und Wolken von sirrenden, blutsaugenden Mücken, die auch die kleinste Lücke im Zelt nutzen, um an menschliches Blut zu kommen. So, als hätten sie einzig auf den einsamen Wanderer gewartet.

Mir ist der mitteleuropäische Sommer mit seinen langen Tagen und kurzen Nächten und mit Mücken, denen mit der Fliegenklatsche beizukommen ist, lieber. Hier hängt Ende Juni der betörende Duft des Jasmin in der Luft oder der Geruch trocknenden Heues schwebt über den Wiesen. Hier sind es die Gespräche am glimmenden Grillfeuer bei einem Glas Wein, die oft bis in die nie ganz dunkel werdende Sommernacht reichen und Gelassenheit erzeugen. Diese Zeit der Gerüche und der langen Tage mit ihren kurzen Nächten würden wir am liebsten festhalten und der Illusion erliegen, es ginge immer so weiter. Aber die Sonne hat kehrtgemacht. Unerbittlich. Und wir tun gut daran, die gewonnene Gelassenheit mit hinüber zu nehmen in den Herbst, der schneller da ist, als man erwartet - und der meist viel Arbeit bereithält.

Berauschend Duft und Park

 
 
 
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