Wolfgang Nieschalk
        "Wer handelt, kann Fehler machen. Wer nicht handelt, hat bereits einen Fehler gemacht."

Septemberstimmung

 

 

Es geschieht schnell: Die Tage werden immer schneller immer kürzer und das Sonnenlicht fällt in immer schrägerem Winkel durch die Fenster herein. Es ist September.

 

Man trägt wieder dunkle Jacken und geschlossene Schuhe. Die Biergärten sind verwaist, der Duft von gegrillten Steaks hängt nicht mehr in der abendlichen Luft und auch die fußballspielenden Kinder vor dem Haus sind verschwunden. Schade. Ihr Leben, ihr Lachen, ihr Rufen und Streiten ist verstummt und hat frühherbstlicher Stille Platz gemacht. Die Katze streicht um unsere Beine auf der Suche nach einem warmen Plätzchen. „Hol die Decke“, scheint sie zu denken und tatsächlich - auch wir Menschen entdecken wieder die Gemütlichkeit geheizter Räume und die Kuscheligkeit flauschiger Decken, auf die auch die Katze wartet.

Steigen weiße Wolken aus dem Schornstein der Zuckerfabrik, muss man sich beeilen, um noch rechtzeitig die schönen Seiten des September hervorzuheben. Ihre Dampfwolken kündigen schon den nahen Oktober an und jeder weiß: Bei ihm weht ein rauherer Wind! Doch noch herrscht der September und er hat einige der schönsten Tage des Jahres zu bieten. Pulsierendes Leben, gelegentlich blauen, wolkenlosen Himmel und manchmal versucht er sogar, den Sommer nachzuahmen. Es gelingt ihm nie. Ihm gelingt auch nicht, den Winter vorzutäuschen. Doch manchmal versucht er es. Dann schleicht sich lautlos der erste Frost in hellen Mondnächten in die Gärten und hinterlässt am Morgen silbern weiß schimmerndes Gras, glitzernde Blätter und erschlaffte Pflanzen. Doch das ist vorübergehend, denn solchen Nächten folgen meist sonnige Tage. Tage des Wohlfühlens und ungewöhnlicher Zufriedenheit.

Man kann fühlen, wie sich im September die Tür des Sommers schließt und ihn mit seinem gleißenden Licht langsam Vergangenheit werden lässt. Doch man kann zurückschauen. Jetzt - nicht erst zum Jahreswechsel. Alles ist in lebendiger Erinnerung, und vieles verdient, wieder an unserem inneren Auge vorbeizugleiten. Die großen Ereignisse vergisst man nicht. Es sind die Kleinigkeiten, die so flüchtig sind, doch gerade sie bringen Farbe und Glanz in unser Leben.

Der wie ein funkelnder Diamant aufblitzende Wassertropfen des Morgentaus im Spinnennetz an der Gartenpforte ist Teil dieser Kleinigkeiten. Auch die Frage der Fünfjährigen nach dem Woher des Tropfens und wo eigentlich die Spinne des Spinnennetzes wohnt, gehört dazu und auch ihre unvorsichtige Hand, die den strahlenden Diamanten verlöschen und das Netz zerreißen lässt.

Die unerwarteten Glückwünsche zu einem runden Geburtstag verdienen ebenfalls, in der Erinnerung lebendig zu bleiben. Es waren kurze, intensiv erlebte Momente, Augenblicke, die im Leben des Jubilars nachklingen.

Den Geruch des vergangenen Sommers hat man noch in der Nase. Den Duft der Blumenrabatten sowieso, aber auch den des frisch gemähten Grases oder die nach Fisch und Tang und Salz riechende Luft des Fischerhafens, den wir im Urlaub besuchten und der nicht „Jederfraus“ Sache war.

Der September ist ein fleißiger Monat. Er muss das Vollenden, was der August übriggelassen hat und er endet mit den Vorbereitungen für den Oktober. Das Wachstum der Natur ist beendet. Die Vorbereitungen für eine neue Generation sind abgeschlossen. Seine Schatztruhe quillt am Ende des Monats über. Bucheckern und Walnüsse reifen, fallen zu Boden und in ihnen ist bereits der Keim für neues Leben im nächsten Frühjahr enthalten – dem neuen Zyklus im immer gleichen Kreislauf der Jahreszeiten.

 

 
 
 
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